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George Hinge

 

Kritische Beiträge
zum alkmanischen Digamma

 

 

Dieser Aufsatz ist eine überarbeitete und gekürzte Fassung meiner Magisterarbeit, die unter Betreuung von Prof. Dr. Holger Friis Johansen geschrieben und zwei Wochen vor seinem plötzlichen Tode abgegeben wurde. Genau wie er in seiner eigenen Arbeit auf keinen Kompromiss mit der philologischen Gewissenhaftigkeit einging, so waren wir, seine Studenten, der Überzeugung, dass wir ihm immer die höchste Leistung schuldig seien. Ich werde sein Urteil über meine Arbeit niemals kennenlernen, aber in der Hoffnung, seine Erwartungen nicht enttäuscht zu haben, widme ich ihm meinen Aufsatz.

In meiner Arbeit setzte ich mir die Aufgabe, herauszufinden, inwiefern die Sprache Alkmans mit der lakonischen Mundart übereinstimmt. Denys L. Page, der in seinem Kommentar zum Partheneion (Oxf. 1951) die autoritativste Beschreibung des alkmanischen Dialekts gegeben hat, ist der Meinung, dass die sprachliche Grundlage seiner Lieder vor allem epichorisch sei. Die Untersuchung des Digamma macht einen wesentlichen Teil seiner Argumentation aus, und seine Schlussfolgerung lautet, dass das anlautende Digamma sowohl in den lakonischen Inschriften wie bei Alkman völlig intakt sei. Zwar ist das anlautende Digamma[1] in den archaischen und klassischen Inschriften vollkommen intakt, bei Alkman aber ist das nicht so eindeutig, wie ich es zeigen werde.

Abgesehen von den Stellen, wo ein Digamma in der Überlieferung steht, ist dessen Vorhandensein oder Wegfall nur aus Indizien der Skansion zu schließen. Das Vorhandensein eines Digamma wird von Hiat, Position und fehlender Korreption, sein Wegfall aber von Elision/Krasis, Korreption und fehlender Position indiziert. Man kann das Vorhandensein nicht überprüfen, wenn das Digamma am Anfang einer metrischen Periode oder nach einer langen auf einen Konsonanten ausgehenden Silbe steht. Außerdem macht die Überlieferung oft die Unterscheidung unmöglich. Aus diesem Grund werden die folgenden Textstellen in meine Untersuchung nicht einbezogen:

1.8, 40, 51, 61, 69, 85; 3 (Fr. 3).4, 64, 67, 73, 115, 116, (Fr. 23).5; 4 (Fr. 3).4; 4(a).8; 10(b).16-7; 11(Kol. 1).24; 27.2; 39.1, 2; 40; 45; 46; 57; 74; 79.3; 92(c); 106; 135

Nur zwei anlautende Digammas kommen im Alkmankorpus direkt vor, beide in Papyri und beide im Wort ἄναξ: 1.6 Εὐτείχη τε Fάνακτά τ᾿ ᾿Αρήϊον und 93.7-8 ὀλετῆρα Fάναξ. Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, dass es auch in 45 ein Digamma gegeben hat: ἅδοι Διὸς δόμωι ὁ χόρος ἁμὸς καὶ τοί γ᾿ ἄναξ, dass also die Partikel γέ statt eines Digamma steht. (2] Dass das ungewöhnliche Digamma in der späteren Überlieferung zu einem Gamma entstellt wurde, war ein natürliches Ergebnis.

Um das äolische Digamma in ὅς zu veranschaulichen, zitiert Apollonios Dyskolos einen Vers aus Sappho und fügt hinzu: καὶ ᾿Αλκμάν δὲ συνεχῶς αἰολίζων φησί· τὰ εα κήδεα (= Fr. 103). Die Konjektur τὰ Fὰ κάδεα steht außer Frage, weil das Digamma auch im Sappozitat zu einem Epsilon entstellt worden ist.

1.41-42: ᾿Αγιδῶς τὸ φῶς ὁρῶ ρ᾿ ὤτ᾿ ἄλιον ὅνπερ ἇμιν. Es ist unsicher, ob man mit Wilamowitz ὁρῶ F᾿ ὤτ᾿ ἄλιον[3] oder mit Puelma ὁρῶσ᾿ ὤτ᾿ ἄλιον[4] lesen soll. Sicher stand in der hellenistischen Ausgabe, die der Papyrus widerspiegelt, kein Digamma zu lesen.

Das anlautende Digamma ist also nur in Fάναξ und Fός direkt belegt; das Digamma von Fός war bei den Lesbiern wohlbekannt, während Fάναξ für die Grammatiker das typische Beispiel des Digamma war.[5] Dies ist kein Zufall. Die Alexandriner scheinen das Digamma nur dort geschrieben zu haben, wo sie im voraus von seiner Existenz wusste. Man könnte sich vorstellen, dass sie das Alkmankorpus in gemeingriechischer Orthographie gefunden und ihm später dorische Züge zugeschrieben hätten.

Es gibt im Alkmankorpus Hiat an fünf Stellen. Alle sind mit dem Digamma zu erklären:

43: οὐ γὰρ ἐγώνγα, ἄνασσα Διὸς θύγατερ.- Femininum von ἄναξ.

1.76: Δαμαρ[έ]τα τ᾿ ᾿Ιανθεμίς.- Von ἴον, vgl. lat. viola und lakonisch Fιοστεφάνοι (SEG 32.395). Auch Homer hat in dieser Wurzel Hiat. [6]

3(Fr. 3).79: ]α ϊδοι μ᾿ άι πως μει[...]ο[.]φίλοι].- Das Digamma in ἰδεῖν ist nicht nur durch die anderen Indogermanischen Sprachen, sondern auch in einer lakonischen Inschrift (SEG XI 652 Fιδεν; vgl. auch lak. βιδῆν, Etym. Gud. 104) bezeugt.

1.58: ἁ δὲ δευτέρα πεδ᾿ ᾿Αγιδῶ τὸ εἶδος.- Von der oben erwähnten Wurzel.

20.3-4: καὶ τέτρατον τὸ ἦρ ὅκα.- Das Digamma ist in den anderen indogermanischen Sprachen und bei den Lexikographen belegbar, aber auch Homer hat Hiat und Position vor ἔαρ.[7]

Außerdem ist der Hiat in einem Vers durch Konjektur entstanden: 56.2 θεοῖς ἅδηι πολύφανος.- Das daktylische Metrum des übrigen Fragments fordert eine kurze Silbe vor ἅδηι (θεοῖς ist mit Synizese wie 1.98 σιαί zu lesen). Deshalb setzte Hermann ein ephelzystisches Ny ein: θεοῖσιν, aber auch *θιοῖσι Fάδηι wäre eine Möglichkeit: Wenn Athenaios, der Gewährsmann unseres Gedichtes, *θεοῖσι ἅδηι schrieb, ist es natürlich, dass ein Abschreiber den Vokal elidierte (während es weniger wahrscheinlich ist, dass er ein Ny entfernt hätte, um das Metrum schwieriger zu machen).

Ein Hiat zwischen verschiedenen Versen kann die Wirksamkeit des Digamma nur dort beweisen, wo die Verse die Kola einer größeren Periode sind.

1.34-5: ]πον· ἄλαστα δὲ ἔργα|πάσον κακὰ μησάμενοι.- Es gibt immer Synaphie zwischen einem daktylischen Tetrameter und dem folgenden Metrum.[8] Der Hiat muss also auf das Digamma zurückzuführen sein.

1.86-7: 1.86-7: γλαὺξ· ἐγὼ[ν] δὲ τᾶι μὲν ᾿Αώτι μάλιστα|ἁνδάνειν ἐρῶ· πόνων γὰρ.- Page stellt fest, dass keine andere Strophe des Partheneion Hiat zwischen einem kurzen Vokal des 10. Verses und einem langen Vokal des 11. Verses hat.[9] Dies ist aber eine Verstellung der Argumentation: Wir können nur an zwei anderen Stellen sowohl den Ausgang des 10. Verses als auch den Anfang des 11. Verses lesen, aber in drei Strophen geht der 10. Vers auf einen langen Vokal oder einen Diphthong und in einer Strophe auf einen langen Vokal + einen Konsonanten aus. Wenn es sonst keinen Hiat nach einer kurzen Endsilbe des 10. Verses einer Strophe gibt, ist es einfach dadurch verursacht, dass keine andere Strophe einen kurzen Vokal im Ausgang des 10. Verses hat! Der Vers kann also keineswegs den Einfluss des Digamma beweisen.

Gemäß der Überlieferung haben drei Verse Elision.

5(Fr. 2, Kol. 2).17-8: φυὰν δ᾿ ἔοικεν[.- Die Lesart Lobels stützt sich auf den Akkusativ φυάν (oder ist davon verursacht worden), vgl. Il. 2.57-8 Νέστορι δίωι εἶδός τε μεγεθός τε φυήν τ᾿ ἄγχιστα ἐώικει, und alle Herausgeber akzeptieren sie. Der Satz ist das Lemma eines Papyruskommentars (das Metrum ist somit unsicher). Die antiken Kommentare scheinen ihre Quellen wörtlich zu zitieren (dies gilt auf jeden Fall für den Kommentar zum Partheneion, P. Oxy. 2389). Nichts außer dem unwirksamen Digamma berechtigt uns also dazu, zu bezweifeln, dass in der hellenistischen Ausgabe wirklich φυὰν δ᾿ ἔοικεν stand.[10]

59(b).1: τοῦθ᾿ ἁδειᾶν Μουσᾶν ἔδειξε.- Die Anzahl der langen Silben ist außergewöhnlich. Man hat versucht, τοῦτο nicht zu elidieren, aber das bildet kein bekanntes Metrum. Man muss also auch supplieren: Bergk will einen Iambe einsetzen: τοῦτο Fαδειᾶν [...] Μουσᾶν ἔδειξε (troch. Trim.), Wilamowitz die Wortstellung ändern und eine Silbe vorsetzen: [ X ] τοῦτο Fαδειᾶν ἔδειξε Μουσᾶν (kat. iamb. Trim.). Beide versuchen sie, ein wirkliches Problem zu lösen, und beide vermuten sie einen Hiat vor dem Digamma; weil das aber nicht ausreichend ist, sind weitere Eingriffe nötig. Nun bewegen wir uns dorthin, wo die Thesen nicht wissenschaftlich überprüfbar sind. Dieses Fragment kann somit auf keinen Fall zu meiner Untersuchung des Digamma beitragen.

92(d): οἶνον δ᾿ Οἰνουντιάδα ἢ Καρύστιον ἢ ῎Ονογλιν ἢ Σταθμίταν.- Das Zitat ist metrisch korrupt, und alle Versuche, sie zu heilen, sind willkürlich[11]; ich muss also auch dieses Fragment außer Betracht lassen.

Ein Hiat hielte sich von vornherein länger zwischen den beiden Teilen eines Kompositums als zwischen selbständigen Wörtern, weil dieser Hiat sich nur aus dem Zusammenhang ergibt, jener aber mit dem Wort selbst fortlebt. Um so beweiskräftiger ist es, dass zwei Komposita im Alkmankorpus trotz des anlautenden Digamma des zweiten Gliedes eine innere Elision erlitten haben.

1.71: ἀλλ᾿ ᾿Αρέτα σιειδής. Page vermutet, dass Alkman *θεFειδής schrieb, und vergleicht es mit dem spätlakonischen Σιδέκτας, Σιχάρης, Σίπομπος.[12) Das lakonische Σι- hat aber ein langes Iota, vgl. z. B. Σειπόμπου, Σειμήδης, was auf die Zusammenziehung eines älteren ιο hinweist.[13] Dieses lange Iota können wir in den Alkmanvers (ein Enhoplion) nicht einführen. Ich lehne es somit ab, eine unbelegte athematische Variante zu konstruieren, nur um das alkmanische Digamma zu retten; vielmehr ist die Entwicklung *θεFειδής σιειδής anders zu erklären.

162 (Fr. 1(a), Kol. 1): ]μάλικας, wozu am Rand δυ υμαλικ(ας), d. h. die äolische Form von ὁμῆλιξ.[14] Das Digamma des zweiten Gliedes ist aus Hesych βαλικιώτης· συνέφηβος. Κρῆτες zu erschließen; ἧλιξ ist auf *sue- Fέ, wie τηλίκος, πηλίκος auf *to- bzw. *kuo-, gebildet worden.

In den Dialekten, die das anlautende Digamma festhalten, wird es auch am Anfang des zweiten Gliedes eines Kompositums geschrieben, z. B. lakonisch IG 5(1)213 ΓαιαFόχο, IG 5(1).32, 65 διαβέτης, Hesych γαβεργόρ. Hätte Alkman seine Lieder im genuinen Lakonischen geschrieben, hätten die obengenannten Wörter *θιοFειδής und *ὁμοFᾶλιξ geheißen. Die epische Sprache erhält in solchen Komposita den Hiat, wenn die Wortbildung traditionell ist (z. B. θεοειδής), elidiert aber, wenn sie für das Genre neu ist (z. B. ὁμῆλιξ). Ich finde es für den alkmanischen Dialekt symptomatisch, dass er nicht nur dem Epos folgt (ὑμάλικας), sondern auch sozusagen epischer als das Epos wird (σιειδής).

Wir haben im Alkmankorpus nur ein einziges unzweifelhaftes Beispiel digammabedingter Position: 59(a) ῎Ερως με δηὖτε Κύπριδος ἕκατι. Die Präposition ἕκητι muss mit der Wurzel von ἑκών (lokrisch Fεqόντας) zusammengehören. Es schließen sich zwei unsichere Beispiele an:

82.2: ὄρνις ἱέρακος ὑπερπταμένω. Athenaios will mit diesem Zitat veranschaulichen, dass Alkman die Form ὄρνις für den Nominativ Plural besaß. Das wäre aber sehr außergewöhnlich gewesen. Pisani schlägt einen kollektiven Singular vor.[15] Die Quantität des Iota in ὄρνις schwankt aber. Man kann also aus dieser Stelle nichts über das alkmanische Digamma aussagen.[16]

92(a): ἄπυρον οἶνον. Das Metrum ist unbekannt. Es lässt sich also nicht entscheiden, ob das Digamma Position auswirkt, oder ob eine Auflösung stattgefunden hat. Die Auflösung der langen Silben, die die Lesbier nicht kennen, ist bei Alkman häufig (z. B. 1.2,56; 16.3,4; 96). Auch dieses Fragment muss ich deshalb außer Acht lassen.

Ganz unsicher ist 65 οἳ ἔθεν πάλοις ἔπαλλε δαίμονάς τ᾿ ἐδάσσατο. Der Homerscholiast übersetzt den Anfang τοὺς μερισμοὺς, τὰς διαιρέσεις αὐτῶν, und man hat deshalb ὃς Fέθεν πάλοις ἔπαλεν δαίμονά θ᾿ ἐδάσσατο lesen wollen. Das Pronomen kommt bei Homer und den Lesbiern vor, aber nur im Singular (der Plural lautet σφέων, σφείων).[17] Es ist also mit Page besser zu lesen οἴοθεν.[18]

Dagegen wirkt das Digamma an mehreren Textstellen keine Position aus:

P. Oxy. 2394 enthält sicher eine Alkmanausgabe (= 162): Entscheidend ist die Schreibart Fr. 2(a).10 ]ρσενίσκ[ und Sch. Fr. 2(a).17 ]ρσενίσκαι, das Lobel als παρσενίσκαι deutet.[19] Das Fragment 13 des Papyrus kommt auch in P. Oxy. 2443, Fr. 1 vor, und dieses Fragment hat wiederum andere Zeilen mit P. Oxy. 3213 gemeinsam, in dessen 6. Zeile πασειν = παθεῖν steht. θ hat sich ausschließlich in dem lakonischen Dialekt zu σ entwickelt. P. Oxy. 2394, Fr. 2 ist in drei Streifen zerteilt, aber Lobel kombiniert sie so, dass ein Vers ]α πὰρ πυκ[ινὰ]ς θέσαν ἰτέας lautet. Er sagt aber, dass er die Wahrscheinlichkeit des unwirksamen Digamma nicht habe berechnen können.[20]

174: ἄγ᾿ αὖτ᾿ ἐς οἶκον τὸν Κλεησίππω. Mit Hinweis auf 1.72 Κλεησιθήρα schreibt Wilamowitz das Fragment unserem Dichter zu, und alle Herausgeber sind ihm darin gefolgt. Um das Digamma zu restituieren, konjiziert er ἄγ᾿ αὖτε Fοῖκον.[21] Es wäre aber ein Zirkelschluss, wenn ich eine Konjektur in Betracht zöge, die nicht nur komplizierend ist, sondern auch desselben Buchstabens wegen, dessen Wirkung und Verbreitung ich zu beschreiben versuche, vorgeschlagen worden ist.

174: ἄγ᾿ αὖτ᾿ ἐς οἶκον τὸν Κλεησίππω. Mit Hinweis auf 1.72 Κλεησιθήρα schreibt Wilamowitz das Fragment unserem Dichter zu, und alle Herausgeber sind ihm darin gefolgt. Um das Digamma zu restituieren, konjiziert er ἄγ᾿ αὖτε Fοῖκον.[22] Der Vers ist aber bei drei Schriftstellern, Antigonos, Athenaios und Photios, überliefert, und überall steht εἴαρος. Athenaios ist vermutlich die Quelle von Photios (beide wollen sie zeigen, dass Alkman im Nominativ Singular ὄρνις, nicht dorisches ὄρνιξ hat). Wenn Athenaios das Zitat nicht aus Antigonos genommen hat, muss εἴαρος in der alexandrinischen Ausgabe gestanden haben, und sollte Antigonos seine Quelle sein, kann es mit dem antiken Eisvogelmythos nicht inkonsistent sein.

Aristoteles Hist. anim. 542b, erzählt, dass die Eisvögel ihre Eier um Wintersonnenwende legen. Diese Jahreszeit, die ein außergewöhnlich stilles Wetter kennzeichnen soll, wird ἁλκυωνίδες ἡμέραι genannt.[23] Dann wäre „Frühlingsvogel“ eine unangebrachte Bezeichnung. Die kalendarische Tradition datiert aber die halkyonischen Tage auf dem Ende Februar, was mit der tatsächlichen Paarungszeit der Eisvögel besser übereinstimmt.[24] In der Tat paaren die Eisvögel sich nicht in Griechenland, sondern durchstreifen nur im Winter das Land.

Alkman hat im Fragment gesagt: „Meine Glieder tragen mich nicht mehr: Wäre ich doch ein κηρύλος, der zusammen mit den ἀλκυόνεσσι über das Meer fliegt, guten Mutes, ein purpurner Frühlingsvogel“. Dieser alkmanische Eisvogel hat mit dem scheuen, mythenhaften Eisvogel der späteren Tradition nichts zu tun.[25] Ein Frühlingsbild wäre auf jeden Fall bequemer: Frivole Vögel im Frühling sind ein Locus communis.[26] Demetrios sagt sogar, dass Sappho καὶ περὶ ἐρώτωμ καὶ ἔαρος καὶ περὶ ἀλκύονος sang (= 195 Voigt). Ein Greis, dessen Glieder ihn nicht mehr tragen, möchte lieber ein lebhafter und erotischer Vogel sein als der einsame und winterliche Eisvogel.

In drei Wörtern ist das Digamma nicht episch noch epigraphisch bezeugt, sondern rührt von Etymologien her: οὐρανός, ἄσμενος und ἑορτή.

1.16: ἀνθ]ρώπων ἐς ὠρανὸν ποτήσθω. Der lange Vokal von οὐρανός ist sekundär, durch ein geschwundenes s oder Kontraktion entstanden. Wackernagel setzt das Wort mit aind. vársati „regnen“ zusammen (ein Iterativ derselben Wurzel ist nach ihm οὐρεῖν).[27] Das Epos und die Meliker haben jedoch niemals Hiat vor οὐρανός, und Alkman korripiert sogar in: 28 Μῶσα Διὸς θύγατερ, λίγ᾿ ἀείσομαι ὠρανίαφι. Zwar ist das Digamma im Epos und in den kretischen und korinthischen Dialekten vor ο und ω (außer vor οι und im Possessiv ὅς) überall geschwunden [28]; das ist aber im Lakonischen nicht der Fall, vgl. Fορθείαι und FαιαFοχο und im Inlaut σ]αFόσειε, ΜενελάFοι, ναFõν, ἀβώρ. Entweder ist diese Etymologie falsch, oder wir müssen annehmen, dass das alkmanische Digamma nicht unbedingt wirksam ist.

79.1: ἀνὴρ δ᾿ ἐν ἀσμένοισιν. Wahrscheinlich muss man mit den antiken Grammatikern ἄσμενος mit ἁνδάνειν, ἥδεσθαι verbinden, d. h. *sueh2d-s- meno-.[29] Wackernagel stellt sich eine Nullstufe von νέεσθαι, d. h. *ns-s-meno-, vor.[30] Eine athematische s-Bildung hätte aber keine Nullstufe, und die Semantik ist problematisch. [Nachtrag I] Palmer setzt ἄσμενος mit ἆσαι „sättigen“ zusammen, was er von *h2es- (heth. has- „den Durst löschen“) ableitet.[31] Ich bin der Überzeugung, dass die antike Etymologie am besten das erhaltene σ vor μ erklärt: Die Vereinfachung von *-ss- *-s- ist vorgriechisch und geht dem gemeingriechischen *-s- -(h)- voraus, vgl. *h1éssi εἶ (es ist deshalb zu erwarten, dass *-ssm-, wie *-sm-, zu -m- sich entwickelt hätte), während *- ds- als -s- und folglich *-dsm- als -sm- erschien.

56.2: θεοῖσι ἅδηι πολύφανος ἑορτά. ἑορτή ist ein Verbalnomen, aber das Verb kennen wir nicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehört es mit dem Homerischen ἔρανος „Fest“ zusammen. Brugmann knüpft es weiter an ἦρα „Dienst“, das allem Anschein nach ein Digamma hatte, weil es im Epos Hiat auswirkt. Wir müssen dann *FεFορτά rekonstruieren, ursprünglich „Dienst an einem Gott“.[32]

Dagegen hat es ganz sicher in ἑννῦναι ein Digamma gegeben. Nichts desto weniger sagt Alkman: 117 λᾶδος εἱμένα καλόν. Der Vers scheint ein Lekythion zu sein, ein Kolon, das Alkman auch in 1 (in den 1., 3., 5. und 7. Versen der Strophen); 3 (im 3. Vers der Strophe); 16.3; 39; 40.2, 55.2; 65.2; 95a verwendet. Wenn man aber auf das Respektieren des Digamma besteht, muss man annehmen, das dass Zitat zu einer längeren iambischen oder trochäischen Periode gehört, wovon Teile ausgelassen worden sind. Zwar können die Wortgrenzen im Trimeter so fallen, wie sie in diesem Vers gefallen wären, wenn es sich um ein Trimeter handelte, aber es gibt keine syntaktische und semantische Einheit zwischen solchen Einschnitten (z. B. Aisch. Agam. 10, 30, 35, 36, 37). Die einfachste und unmittelbarste Lösung ist deshalb die, dass das Digamma auch an dieser Stelle unwirksam ist. [Nachtrag II]

Meine Untersuchung haben also Folgendes gezeigt:[33]

Positive Belege. Elf Hiaten: τε Fάνακτα (1.6), ὀλετῆρα Fάναξ (93.8), τοί γ᾿ ἄναξ (45), ἐγώνγα ἄνασσα (43), τὰ εα (103), τὸ ἦρ (20.3), τὸ εἶδος (1.58), δὲ ἔργα (1.34-5), θιοῖσα ἅδηι (56.2), ]α ἴδοι (3(Fr. 3).79), τε ᾿Ιανθεμίς (1.76). Eine Position: Κύπριδος ἕκατι (59a).

Negative Belege. Drei Elisionen: δ᾿ ἔοικεν (5(Fr. 2, Kol. 2).17), ὑμάλικας (162(Fr. 1(a), Kol. 1).1), σιειδής (1.71). Sieben beseitigte Positionen: ἐν ἀσμένοισιν (79.1), ἁλιπόρφυρος εἴαρος (26.4), πολύφανος ἑορτά (56.2), λᾶδος εἱμένα (117), θέσαν ἰτέας (162(Fr. 2(c)).6), ἐς οἶκον (174), ἐς ὠρανόν (1.16). Eine Korreption: ἀείσομαι ὠρανίαφι (28).

Folglich kann man an dem Intaktsein des Digamma nicht glauben, ohne dass man mehrere Konjekturen und unbequeme Skansionen annimmt und anerkannte oder unbestrittene Etymologien verwirft - und das nur, um das Digamma zu restituieren.

Die Hauptregel ist, dass ein kurzer auslautender Vokal vor einem Digamma stehenbleibt, aber der Vokal wird zweimal im Wortinneren und einmal zwischen den Wörtern elidiert. Wenn man die Elision vor einem Digamma aus dem Alkmankorpus ausschließen will, muss man nicht nur zwei durchgreifende Konjekturen, die aus metrischen Problemen entstehen, aber weiter als das Beweisbare getrieben werden, sondern auch ein unredupliziertes οἶκα akzeptieren.

Dagegen scheint es eine andere Hauptregel zu sein, dass eine kurze auf einen Konsonanten ausgehende Silbe vor einem Digamma nicht unbedingt als lang skandiert wird. Auch wenn man behauptet, dass ἑορτή, ἄσμενος und οὐρανός kein Digamma gehabt hätten, und man nicht εἴαρος liest, muss man doch οἶκον, ἰτέας und εἱμένα erklären.

Homer hat ein gleiches Missverhältnis zwischen überwiegendem Hiat und schwankender Position. In seinen Homerischen Studien ist Hartel zum Ergebnis gekommen, Homer habe 2324 Hiaten in Thesis, 324 Elisionen in Arsis und Thesis, aber 359 Positionen in Arsis, 46 Positionen in Thesis, 215 fehlende Positionen in Thesis, endlich 507 fehlende Korreptionen in Arsis, 164 in Thesis, 78 Korreptionen in Thesis. Diese Zahlenangaben werden sicher von besseren Etymologien etwas geändert werden, aber nicht wesentlich. Solmsen schließt aus diesem Untersuchungsergebnis, dass das Homerische Digamma vollständig wirksam sei, aber Position nur in Arsis auswirke. Er vergleicht es mit demselben Verhältnis vor Muta cum liquida und erklärt es phonetisch so, dass ein vorausgehendes -ν, -ρ, -ς mit F- des folgenden Wortes zusammengehört, indem die Silbentrennung nicht zwischen, sondern vor ihnen fällt.[34] Solmsen behauptet, dass dasselbe für die Lesbier und Alkman gelte.[35]

Seine Auslegung des Homerischen Digamma stützt sich aber auf falsche Prämissen. Die Parallelität zwischen -ν, -ρ, -ς + F- und Muta cum liquida ist nur scheinbar, weil sie nur für κρ-, κλ- u. s. w. und nicht für -κ ρ-, -κ λ- (ἐκ Λήμνου, ἐκ-ρέω), die echten Parallelen, gilt.[36] Statt uns vorzustellen, die Ilias und die Odyssee seien zur Zeit des intaktes Digamma geschaffen und nach seinem Wegfall redigiert worden, verstehen wir heute, dass die Hiaten und Positionen nicht die gleichzeitige Prosodie widerspiegeln, sondern in der traditionellen Formeln der epischen Sprache überleben. Wenn das Digamma 359 Positionen in Arsis, aber nur 46 in Thesis verursacht, beruht es auf einem allgemeinen Widerwillen dagegen, eine kurze Silbe in Thesis zu dehnen, was genau davon verstärkt wird, dass das Digamma in der Mundart der ionischen Dichter keine phonetische Realität besaß: Es ist annehmbar, eine von Natur aus kurze Silbe als lang in Arsis zu halten, aber es würde den daktylischen Rhythmus stören, die zwei kurzen Silben durch eine kurze zu entstellen. Der Widerspruch entspringt also der besonderen kompositorischen Technik des Epos, nicht dem mythischen Iktus.

Arithmetisch gibt es keinen Wesensunterschied zwischen dem Homerischen und dem alkmanischen Digamma, und wenn man schon auf irgendeinen Unterschied zwischen den beiden Textmassen hinweisen will (was wegen des geringen Umfang des Alkmankorpus gewagt ist), scheint Alkman seltener als Homer Position zu erlauben (Homer dehnt zwei Drittel der kurzen auf einen Konsonanten ausgehenden Silben, Alkman nur zwischen einem Drittel und einem Sechstel).

Während das Digamma in der ionischen Dichtung seinen Einfluss aufrechterhält, nachdem es weggefallen ist, scheint das Digamma in der lakonischen Dichtung unwirksam zu sein, obwohl es noch ausgesprochen wird. Was für die Ionier ein feierlicher Archaismus ist, ist für einen dorischen Dichter ein Provinzialismus, der nur dort erlaubt wird, wo die poetische (ionisch-äolische) Tradition ihn sanktioniert hat.

Nun wäre es möglich, dass Alkman nur in episch geprägten Passagen das Digamma übersah. Ein gutes Beispiel wäre θέσαν ἰτέας, wo das Verb eine ionische Form hat[37], und das Metrum daktylisch ist (doch ein Tetrameter, kein Hexameter). Ist Κύπριδος ἕκατι aber weniger episch als ἁλιπόρφυρος εἴαρος, ἐς οἶκον und λᾶδος εἱμένα? Umgekehrt.[38] Und wenn es auf epischer Thematik und Phraseologie beruht, dass sieben von acht oder wenigstens vier von fünf kurzen auf einen Konsonanten ausgehenden Silben nicht gedehnt sind, kann man sich fragen, ob es überhaupt berechtigt ist, die Dichtung Alkmans epichorisch zu nennen. Die spätere Chorlyrik hat ein gleiches fakultatives Verhältnis zum Digamma.[39]

Was folglich dem Digamma betrifft, war die Grundlage der alkmanischen Sprache gar nicht die lakonische Mundart, sondern die epischen Formeln. Die lakonischen Züge sind nur eine oberflächliche Anpassung einer gemeingriechischen (und auf den asiatischen Dialekten gegründeten) Dichtersprache.[40]


Anmerkungen

[1] Wegen der Zahlreichen positiven Belege sind die beiden Ausnahmen, die ich gefunden habe, anders zu erklären: εἰκόνα (IG 5(1).1564a, um 390) ist eher Koine (Sigma ist im νικῶσα, πάσας und ἔστασε bewahrt, hοίκατ[ (SEG 11.666, 6. Jh.) eher eine Verschreibung (noch im hellenistischer Zeit wird das anlautende Digamma in einer Ableitung dieser Wurzel wiedergegeben: Βοικέτα (IG 5(1).497,589,608).
Aller Wahrscheinlichkeit nach hat es in hορῆν (IG 5(1).255) und im lakonischen Beamtentitel ἔφορος kein Digamma gegeben, vgl. Lejeune Phonétique historique du mycénien et du grec ancien (1972), 175 N. 3. Nicht nur deshalb hat es wenig Sinn mit Risch (MH 11 (1954), 58) Alkman 1.50 οὐχ ὁρῆις die einzige wirkliche Ausnahme der Einsetzbarkeit des Digamma zu nennen, sondern auch weil das Einsetzen oder Auslassen des Digamma dem Vers nichts auswirkt.

[2] Apollonios Dyskolos zitiert den Vers, um zu zeigen, dass τοί bei Alkman ὀρθοτονεῖται (d. h. nicht enklitisch ist). Wenn γ᾿ die Partikel wäre, hätte es keinen Sinn, den Akzent auf die Orthotonie von τοί zurückzuführen (wenn er nicht die Orthotonie aus dem Gravis auf καὶ schließt). Apollonios hat somit den Buchstaben anders verstehen müssen.

[3] Hermes 32 (1897), 254-5 (auch Diels Hermes 31 (1896), 348 N. 4 ist auf die Möglichkeit aufmerksam, aber wählt sie nicht). Das enklitische ῥᾶ steht in der Regel nur hinter einsilbigen Wörtern (K.-G. § 543).

[4] Puelma MH 34 (1977), S. 10 N. 25 (auch Calame Alcman (1983), S. 324-5. Davies PMGF (1991), S. 28, führt im Apparat fortasse recte an). Pavese Il grande partenio di Alcmane (1992), S. 35-6, findet dagegen diese Konjektur semantisch und paläographisch unbefriedigend.

[5] Dionysios von Halikarnassos I 20, Melampus in artem Dion. Thr. 34 Hilgard.

[6] Chantraine Grammaire Homérique (1948), 142.

[7] Chantraine Gr. Hom. 128.

[8] So überall bei Alkman: Wenn das Tetrameter auf einen kurzen Vokal ausgeht, fängt das folgende Kolon mit einem Konsonanten an: 1.34,48; 3(Fr. 3, Kol. 2).61,70,82; 56.1; 106; 124 (und vielleicht S 5(b).17), aber wenn es auf einen Konsonanten oder auf einen Diphthong endet, fängt das folgende Kolon mit einem Vokal an: 1.62,76,90; 3(Fr. 3, Kol. 2).62,80; 14.1; 17.1,3,5; 27.1,2; S 5(b).15. Ein eigentliches daktylisches Tetrameter endet von Natur aus nicht auf einen langen Vokal + einen Konsonanten.

[9] Alcman: The Partheneion (1951) 104.

[10] Homer hat in der Regel Hiat vor diesem Wort (mehr als vierzig Beispiele), vgl. Chantraine Gr. Hom. 129. Man darf nicht mit Hinweis auf 110 ein unredupliziertes *οἶκα konstruieren. Solmsen, Untersuchungen zur griechischen laut- und verslehre (1901) 145, verglich dies mit ἀμφιαχυῖα (Il. 2.316), ἁλωκότα (Pindar P. 3.57), ἅδηκε (Hipponax 100). Nur ἅδηκε ist aber ein Perfekt Indikativ, und es ist deutlich sekundär (wegen des Eta). Vielmehr ist mit der Mehrheit der Handschriften εἶκας zu lesen, mit dem Vokalismus des ursprünglichen Plurals, vgl. Schwyzer Griechische Grammatik (1939) I 745 N. 2.

[11] Page The Partheneion (1951) 106, Poetae Melici Graeci (1962) 63, schlägt diese Konjekturen vor: Fοῖνον δὲ Fοινοεντίδαν ἢ Δένθιν ἢ Καρύστιον | ἢ ῎Ονογλιν ἢ Σταθμῖτιν (iamb. Tetr. + kat. iamb. Dim.)

[12] Auch Wilamowitz Textgeschichte der griechischen Lyriker (1900) 56 N. 1, rekonstruiert *θεFειδής, und beide knüpfen sie es an megaräisch Θέδωρος, Θεγείτων. Die beiden Vereinfachungen des Vorgliedes, die megaräische und die spätlakonische, sind aber von einander unabhängig: Das megaräische Θε- wechselt mit Θο- (vor zwei Konsonanten): Θόγνητος, Θοκλῆς. Vielmehr handelt es sich nicht um eine alternative Form des Wortes θεός, sondern um rhythmische Varianten, vgl. Schwyzer Gr. Gramm. I 253.

[13] Bourguet Le dialecte laconien (1927) 109. So wird das Vorglied noch in den archaischen Inschriften θιο-, nicht *θε-, geschrieben: IG 5(1).457 Θιοκλε und SEG II 64 Θιοκορμίδας.

[14] ὑμ- für ὁμ- ist für das Äolische und Arkadische, nicht das Dorische charakteristisch, vgl. ὕμαλιξ, ὑμᾶλιξ (Sappho 30.7, 103.11, Theokr. 30.20), ὕμοιος, ὑμοῖος (Theokr. 19.20; Inschr. aus Orchomenos, Schw. 665 A1 5, 4. Jh.), ὑμάρτη (Theokr. 28, V. 3), ὕμοι (Sappho 94.13; Balbilla 988.3), ὑμολογία (Inschr. aus Aigai, Schw. 644, 4. Jh.). Wenn die Lesart des Papyrus richtig ist, ficht sie die Behauptung Pages an, die alkmanische Mundart sei von äolischem Einfluss vollständig frei gewesen.

[15] Pisani Paideia 10 (1955) 242.

[16] Das anlautende Digamma hinterlässt auch bei Homer keine Spuren, vgl. Chantraine Gr. Hom., S. 156. Das Digamma lässt sich aus Hesych βείρακες· ἱέρακες und Epicharm 68 χαλκίδες θ᾿ ὕες τε ἱέρακές τε χὠ πίων κύων.

[17] Schwyzer I 603.

[18] Page PMG 54.

[19] Die Ableitung παρθενίκη/-α hingegen kennt man aus Homer, Hesiod, Alkman, Sappho, Alkaios, Simonides, Bacchylides und Pindar). Das Suffix -ισκος kommt im Epos nicht vor, aber gilt in der älteren Lyrik als einziges Diminutivsuffix, so bei Alkman: 1.101 κομίσκαι, 36 κυπαιρίσκαι, 58.2 μελίσκον, 94 θρικαδίσκας (vgl. Schwyzer I 541-2 trotz Calame Alcman (1983) 625).

[20] Lobel Ox. Pap. 24 (1957) 85. ἰτέα gehört mit ἴτυς, äol. Fίτυς, ferner lat. vitis, vimen, dt. Weide zusammen, vgl. Chantraine Dict. étym. 473.

[21] Wilamowitz Hermes 40 (1905) 176.

[22] Solmsen Untersuchungen 147-151, liest Fιαρός „schnell“, vom Verb ἵεσθαι = Fίεσθαι, indem er mit διερός von δίεσθαι vergleicht. Das unwirksame Digamma bleibt jedoch.

[23] Ebenfalls Plinius 10.89-91, dessen Beschreibung doch Abhängigkeit von Aristoteles verrät.

[24] Geminos Kal. 9.15-6: 4. Tag der Fische = 24. Februar, Columella 22.21, und Lydus De ostentis 212a: a. d. viii Kal. Mar. = 22. Februar. Vgl. Giangrande RhM 114 (1971) 102-5.

[25] Kraak Mnemosyne 7 (1939) 142-7: „Quod cecinit Alcman, vidit. Neminem umquam alcedines plurimas nedum ludentes aspexisse constat. Denique alcedines non sunt validae neque maritimae aves“. Zwar ist der alkmanische Eisvogel ein anderer als der Simonideisch-Aristotelische, aber beide sind sie doch mythisch (obwohl mit echten Vögeln identifiziert

[26] Giangrande RhM 114 (1971) 104-5.

[27] Wackernagel Miszellen zur griechischen Grammatik (1988) 129. Sappho hat bald ὄρανος, bald ὤρανος, wahrscheinlich poetische Varianten des erwarteten *ὄρρανος, vgl. Wackernagel Sprachliche Untersuchungen zu Homer (1916) 296 N. 1. Man hat auch versucht οὐρανός mit aind. varsman- „Höhe“, lit. virszùs „höchste Spitze“ zu verbinden: Auf jeden Fall bleibt das Digamma. Vgl. Chantraine Dict. étym. 838-839.

[28] Solmsen Unters. 273-88, Kretschmer Griechische Vaseninschriften (1894) 42-3, Chantraine Gramm. Hom. 123-5.
[29] Bechtel Lexilogus zu Homer (1914) 66-7, Schwyzer I 749. Zwar ist die Tradition des Spiritus lenis sicher, aber eine epische Psilosis ist möglich.

[30] Wackernagel Vermischte Beiträge zur griechischen Grammatik (1897), Kleine Schriften I 767.

[31] Palmer Die Sprache 5 (1959) 136 N. 21.

[32] Brugmann IF 13 (1903) 155-7, Chantraine Gramm. Hom. 152. Die Wurzel kehrt in dt. gewähren (wovon übrigens mlat. werandus, fr. garant) wieder.

[33] Wegen der Überlieferung oder der Metrik ließ ich die folgenden Beispiele aus: τοῦθ᾿ ἁδειᾶν (59b), μάλιστα ἁνδάνειν (1. 87-8), οἳ ἕθεν (65), ὄρνις ἱέρακος (82.2), ὁρῶ ῥ᾿ (1.40-1), ἄπυρον οῖνον (92a), δ᾿ Οἰνουντιάδα (92d).

[34] Solmsen Untersuchungen 129-37.

[35] Solmsen Untersuchungen 137-54.

[36] Überhaupt darf man nicht eine Konsonantengruppe zur nächsten Silbe rechnen, wenn sie nicht isoliert am Anfang eines Wortes erscheint. Griechisch und die anderen älteren indogermanischen Sprachen haben keine Wörter, die mit nw-, rw- (wie fr. noix, roi) anfangen, und Altindisch und Latein, die auch eine quantitative Metrik haben, ziehen nie -n, -r, -s zur nächsten Silbe mit einem v-. Danielsson IF 25 (1909) 575-6, Bolling AJP 13 (1912) 403, 406.

[37] θέσαν ist attisch-ionisch, während die in den Mundarten häufigste und übrigens ursprüngliche Form ἔθεν lautet. Alkman kennt sonst nicht -σαν, vgl. 1.91 ἔβαν und 7.5 ἐτάρφθεν (ebenfalls lak. ἀνέθεν (SEG 22.302), ἔδον (IG 5(1).1 passim), ἀνεστράφεν (IG 5(1).1336)). Es ist typisch, dass Alkman zugleich das Augment auslässt und eine fremde Flexion verwendet.

[38] Die ungewöhnliche Wortbildung ἕκητι scheint aus den epischen Formeln entstanden zu sein, vgl. Leumann Homerische Wörter (1950) 251-8.

[39] Bei Ibykos auswirkt das Digamma fünf Hiaten, aber zweimal keine Position und zweimal keine Elision, und Stesichoros hat drei Hiaten und eine Position, aber zwei Elisionen und einmal keine Position, vgl. Nöthiger Die Sprache des Stesichorus und des Ibycus (1971) 109-11 (Die Zahlenangaben sind durch neue Papyri vermehrt worden, aber, soweit ich es beurteilen kann, ohne das Verhältnis zu ändern). Sie sind also mit Alkman vergleichbar. Obwohl Bacchylides das Digamma aus seinem eigenen Dialekt nicht kennt, hat er bald Elision, bald Hiat, sogar in demselben Wort. Pindar, dessen böotische Mundart das anlautende Digamma bis in die hellenistische Zeit hinein erhält, lässt es nur Ausnahmsweise in seine Lieder ein, und nur, wo es in der epischen Tradition üblich war.

[40] Der epische Charakter der alkmanischen Sprache wird vom Digamma nach ρ, ν bestätigt. Seit den ältesten Inschriften wurde das Digamma in dieser Stellung nicht geschrieben, und aller Wahrscheinlichkeit nach hat es im lakonischen Dialekt keine Ersatzdehnung gegeben. Alkman aber skandiert acht von neun Vokale als lang vor νF, ρF; bei keinem anderen Lyriker ist die Ersatzdehnung so häufig wie bei Alkman.

Nachtrag I. Dieser Einwand ist natürlich falsch: *Ns-s-méno- wäre (wie *su(e)h2d-s-méno-) ein medialer Aorist gewesen und hätte also regelmäßig die Nullstufe gehabt.

Nachtrag II. Antonio Garzya, Alcmane. I frammenti, 1954, schlägt einen trochäischen trimeter vor, dann würden aber die Einschnitte in einer ungewöhnlichen Position stehen: Die Zäsur fällt vor und nicht nach dem „Prinzeps“, vgl. M. L. West, Greek Metre, 1982, 39-42. Dieses Fragment kann nur im Ende einer iambischen oder trochäischen Periode stehen; das Ende einer trimeter oder tetrameter ist nach der Zäsur formal ein Lekythion. Die zweite Silbe unseres Fragmentes bleibt also kurz.