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George Hinge

 

Die Aussprache des griechischen Zeta

 

 

Argumente für [zd]

Weil das im überlieferten Alkmantext fast einhellige <σδ> anscheinend die orthodoxe Aussprache [zd] unterstützt, lohnt es sich, diese Lehre nochmals zu überprüfen, bevor ich auf die überlieferten Erscheinungen eingehe. Ich riskiere deshalb einen Exkurs, der nichts Neues über Alkman aussagt, sondern ein penibleres Problem der griechischen Sprachwissenschaft behandelt, und zwar wie die Sprache überhaupt vorzulesen ist.

Die Hauptargumente der Aussprache [zd] sind die folgenden:

  • Für das ionisch-attische <ζ> steht bei Alkman, Sappho, Alkaios und Theokrit <σδ> (nur im Inlaut). Vgl. auch in einer attischen Vaseninschrift: Ζδεύς (ABV 13) und böot. Θειόσδοτος.

  • Das idg. *sd wird im Griechischen <ζ>: urgr. *sísdō > ἵζω, *búsdān > βύζην, *Athānans de > Ἀθήναζε. Hätte es außerdem die Verbindung /s/ + /d/ nicht gegeben, wäre der Platz neben /s/ + /b/, /s/ + /g/ (und /s/ + /p/, /s/ + /t/, /s/ + /k/) auf der synchronen Ebene leer gewesen, und eine stimmhafte Affrikate /dz/ hätte umgekehrt keine stimmlose Entsprechung gehabt.

  • Die fremden Namen mit /zd/ werden mit <ζ> transkribiert: Pers. Artavazda > Ἀρτάβαζος / Ἀρτάοζος, Auramazda > Ὠρομάζης; umgekehrt werden die persischen Namen mit /z/ in der klassischen Zeit durch <σ> transkribiert: Zara(n)ka- > Σαράγγαι.

  • /n/ schwindet vor <ζ>: *pláng-jō > πλᾰζω (Aor. ἔπλαγξα), *salpíng-jō > σαλπῐζω (Aor. ἐσάλπιγξα), *ksún-jugos > σῠζυγος, *Athānans de > Ἀθήνᾰζε. Mit einem kurzen Vokal, ganz wie vor /st/ (z. B. συστέλλω), aber nicht vor /d/ (wo der Nasal bleibt) oder /s/ (wo es Ersatzdehnung gibt).

Das erste Argument ist zweischneidig, denn die Grammatiker hätten kaum <σδ> in den Lyrikertext eingeführt, wenn das sowieso die allgemeine Aussprache gewesen wäre. Das zweite Argument ist auch nicht entscheidend: Wenn die anderen Quellen des klassischen <ζ> als [dz] ausgesprochen wären (wie ich behaupte), wäre auch das seltene *sd eher mit dieser viel häufigeren Affrikate verschmolzen, als diese eine Metathese erlitten hätten, um eine Lücke in einer überhaupt seltenen Reihe (/s/ + stimmhafter Verschlusslaut) auszufüllen.[1]

Wie die Ableitungen wie Ἀθήναζε aufgefasst wurden (oder aufgefasst werden konnten), sieht man aus Eustathios' gelehrter und lehrreicher Darstellung (Il. I 235):

Τὸ δὲ ἐριδαίνω ἀπὸ τοῦ ἐρίζω παράγεται τραπέντος καὶ ἐνταῦθα τοῦ ζ εἰς δ κατὰ συγγένειαν, καθὰ καὶ ἐν τῶι ἕζω ἕδος, ῥέζω ἔρδω, σκύζω σκυδμαίνω, ὥσπερ καὶ ἐριδμαίνω· εὕρηται γὰρ ἐν χρήσει καὶ τοῦτο. ἰστέον δὲ ὅτι οὐ μόνον τὸ ζ εἰς δ μεταποιεῖται, ὡς ἐν τοῖς ῥηθεῖσι καὶ ἐν τῶι ἐρίζω ἐρίσδω καὶ τοῖς ὁμοίοις Δωρικοῖς, ἀλλὰ καὶ ἔμπαλιν τὸ δ εἰς ζ, ὡς ἐν τῶι ἀρίδηλος ἀρίζηλος ἀστήρ καὶ ἐν τοῖς εἰς ζε λήγουσιν ἐπιρρήμασιν. ὡς γάρ ἐστι τὸ οἴκαδε, οὕτω καὶ Ἀθήναδε, Θήβαδε, ἔραδε τὸ εἰς ἔραν ἤτοι γῆν· τροπὴ δὲ τοῦ δ γέγονεν Ἀθήναζε, ἔραζε. τὸ δ᾿ αὐτὸ καὶ ἐν τοῖς ὁμοίοις.

ἐριδαίνω kommt aus ἐρίζω, indem das <ζ> sich auch dort in <δ> wegen der Verwandtschaft [der Laute] gewandelt hat, wie in ἕζω : ἕδος, ῥέζω : ἔρδω, σκύζω : σκυδμαίνω. Vgl. auch ἐριδμαίνω; es wird auch verwendet. Bemerke, dass sich nicht nur das <ζ> in <δ> gewandelt hat, wie in den angeführten Wörtern und in ἐρίζω > ἐρίσδω und ähnlichen dorischen Wörtern, sondern auch umgekehrt das <δ> in <ζ>, wie in ἀρίδηλος > ἀρίζηλος ἀστήρ und in den Adverbien, die auf ºζε enden: Wie es οἴκαδε heißt, so hätte es auch Ἀθήναδε, Θήβαδε, ἔραδε = εἰς ἔραν „zur Erde“ heißen sollen, aber durch einen Lautwandel des <δ> ist Ἀθήναζε, ἔραζε entstanden. Ebenfalls in den gleichen Wörtern.“ [Vgl. auch I 595.]

Das Suffix ºζε hatte sich also verselbständigt und wurde lediglich als eine Variante von ºδε betrachtet. Wir sind zwar in der byzantinischen Epoche, in der das <ζ> zweifelsohne als [z] ausgesprochen wurde, so dass die Auflösung /athé:naze/ = /athé:na:s/ + /de/ nicht mehr auf der Hand lag. Schon die klassische Orthographie behandelt aber die Verbindung /s/ + /d/ unterschiedlich: Die Pronomina mit dem Suffix ºδε werden stets mit <σδ> geschrieben: ὅσδε, τῆσδε, τοσόσδε (nur einmal SEG 10.404.3 τοῖσζ᾿, um 476/5 v. Chr.[2]), und die meisten Richtungsadverbien auf ºδε behalten auch ein eventuelles <σ> vor dem Suffix bei, vgl. in den homerischen Epen Ἀϊδόσδε (10mal), φόωσδε (5mal), Ἄργοσδ᾿, Θήβασδ᾿, βένθοσδε, οὖδάσδε, Ἐρεβόσδε, λέχοσδε. Nur drei häufige Adverbien werden bei Homer mit <ζ> geschrieben: θύραζε (34mal), χαμᾶζε (29mal), ἔραζε (9mal). Falls sowohl Ἀϊδόσδε als θύραζε mit [zd] ausgesprochen würden, hätte man sie kaum unterschiedlich geschrieben (als der Homertext endlich mal niedergeschrieben wurde, war die Aussprache der herrschenden Theorie nach immer noch [zd]).[3]

Die rhapsodische Tradition und die Sprache überhaupt haben wahrscheinlich zwei Ergebnisse des ursprünglichen *sd gekannt, und zwar die Affrikate [dz] = <ζ> im eigentlichen Wortinneren (ἵζω, ὄζος) und in den erstarrten Verbindungen (alter Sandhi: Ἀθήναζε, θύραζε) und sonst ein wiederhergestelltes [zd] = <σδ> (Aufhebung des Sandhi: ὅσδε,Ἄργοσδε nach οἶκόνδε, τόνδε).[4] Zwei von den Adverbien mit <ζ>, ἔραζε und χαμᾶζε sind außerdem künstliche Analogiebildungen (es gibt ja keinen Akkusativ Plural dieser beiden Wörter, der den Ausgangspunkt der überlieferten Formen bilden könnte); dem Ortsadverb Ὀλυμπίαζε entsprach ebenfalls kein Akkusativ Plural Ὀλυμπίας, wenigstens nicht in der klassischen Sprache, sondern der Singular Ὀλυμπίαν.[5]

Übrigens ist die stimmlose Affrikate wahrscheinlich in mehreren Gebieten bis in die klassische Zeit geblieben: /ts/ wurde im Ostionischen gelegentlich mit einem besonderen Zeichen geschrieben, und zwar <T>, z. B. SGDI IV 870 τεTαράqοντα (Ephesos, 6. Jh.).[6] Im Kretischen wird das stimmlose /ts/ in der archaischen Zeit mit <ζ> und später mit <ττ> oder <θθ> bezeichnet, was auf eine ähnliche Artikulation der beiden Phoneme deutet, und zwar [ts] bzw. [dz].[7] Es ist kaum der Fall, dass eine Metathese /ts/ > /sth/ und eine nachfolgende regressive Assimilation > /thth/ stattgefunden haben, denn das eigentliche /sth/ wird zwar <θθ, θ> geschrieben (ἀνδάζαθαι = att. ἀναδάσασθαι), aber in der klassischen Zeit haben wir nur einmal <θ> für /ts/ (ὀθάκις = att. ὁσάκις) und sonst <ττ, τ>. Ein stimmhafter affrizierter Dental stünde folglich nicht allein.

Nasal + /dz/

Teodorsson findet auch nicht die drei ersten Argumente überzeugend, aber wagt den Versuch, mittels des vierten Arguments eine gemeingriechische Phase der Metathese endgültig zu beweisen.[8] Diese Phase sei aber nur kurz gewesen und lange vor der klassischen Zeit zu Ende.

Der Schwund des /n/ vor *z setzt aber m. E. nicht zwangsläufig die Aussprache [zd] voraus. Die Affrikaten lassen sich zwar als zwei nacheinander folgende Segmenten analysieren, und zwar einen Verschlusslaut und einen Spiranten, so dass [dz] ein vorausgehendes /n/ geschützt hätte (vgl. aber unten). Soweit sind die Argumente Teodorssons stichhaltig. Dass es aber damit nicht geblieben wäre, leuchtet aus der stimmlosen Entsprechung ein: Auch vor /ts/ (< idg. *tj, *tw, *ts - und *t / _ i) schwindet nämlich das /n/, vgl. das thematische Partizip im Femininum, *-ontih2 > *-ontsa > ark., thess., arg., kret. -ονσα, böot. -ωσα, lak. -ωἁ (z. B. Aristoph. Lys. 1313 παιδδωἇν), ion.-att., nwgr. -ουσα, lesb. -οισα. Man muss hier eine Zwischenstufe mit [ns] annehmen, womit das Phonem /ts/ zwei Allophone hatte, [s] nach /n/ und sonst [ts].

Die gleiche Allophonie hat es wahrscheinlich auch im Falle des Phonems /dz/ gegeben, so dass es nach /n/ als [z], sonst aber als [dz] verwirklicht wurde. In den zentralen Dialekten entfiel der Nasal später vor den Sibilanten: *pláng-jō > *plándzō > *plánzō > ion.-att. πλᾰ´ζω, lak. πλαδδιῆν (mit dem Suffix ºιάω, Aristoph. Lys. 171, 990), *ksún-jugos > *ksúndzugos > *ksúnzugos > ion.-att. σῠ´ζυγος, wie *ksuntsītion > *ksunsītion > ion.-att. συσσίτιον. Einen Unterschied zwischen /ndz/ und /nts/ hat es aber trotzdem gegeben, denn wir haben im Partizip nicht †-οττα / †-οσσα und umgekehrt nicht †πλᾱ´ζω / †πλᾱ´δω. Das stimmlose [s] könnte aber einfach vom Phonem /s/ aufgenommen werden, indem der vorausgehende Vokal Ersatzdehnung erlitt (bzw. im Lesbischen diphthongiert wurde), aber es gab kein entsprechendes /z/, das ein alleinstehendes [z] aufnehmen könnte, und das Allophon [z] war zu selten, um ein selbständiges Phonem etablieren zu können. Stattdessen wurde [z] durch das allgemeine Allophon [dz] ersetzt. Die Erhaltung des Nasals (die andere denkbare Lösung) kam nicht in Betracht, denn das hätte sofort die Aussprache [nz] und die unangenehme Stellung des Nasals wieder zuwege gebracht.[9]

Das kretische σαλπίνδε[ν (< *salpíndzō) soll dagegen der Metathese entgangen sein.[10] Man behauptet heute oft, dass auch das Böotische, das wie das Kretische <δδ> aufweist und *dj, *gj anders behandelt als das ursprüngliche *sd (IG 7.2733 Θειόσδοτος (um 600 v. Chr.), später mitunter <σζ>: 1072 Θεόσζοτος, 538.21 Διόσζο[τος, sonst <ζ>[11]), von der Metathese nicht berührt gewesen sei. In diesem Dialekt ist aber σαλπίδδω belegt, was Teodorsson so deutet, dass das Böotische eine Phase mit Metathese durchgemacht hat, das Kretische aber nicht.[12] Auch vor /ts/ behält das Kretische aber das /n/ bei, während das Böotische es schwinden lässt (z. B. -ονσα ~ -ωσα), so dass σαλπίνδε[ν bzw. σαλπίδδω eigentlich die erwarteten Ergebnisse dieser beiden Dialekte sind, auch wenn man ein zugrundeliegendes /ndz/ annimmt, das im Böotischen wie in den meisten anderen Dialekten das /n/ verlor. Als inlautendes [d.z] und anlautendes [.dz] im Kretischen zu [d.d] bzw. [.d] wurden, hat man [n.z] nicht allein stehen lassen, sondern die Allophonie aufgegeben und den Verschlusslaut auch dort eingeführt, was für das stimmlose /n.ts/ = [n.s] nicht nötig war.[13] Die Lautentwicklung fordert keine Metathese, und die Ökonomie spricht gegen sie, weil man eine folgende Rückwandlung annehmen muss, um die klassischen Erscheinungen zu erklären.

Gegen die zeitweilige Parallelentwicklung von /nts/ und /ndz/ wird man vielleicht anführen, dass das idg. *tj im Ionisch-Attischen bald als <σσ> bzw. <ττ>, bald als <σ> erscheint. Das Femininum des Partizips, *-ontih2, das dort /ns/ voraussetzt, muss insofern keine Stütze für meine allophonische Analyse sein. Ein echtes /nts/ - so wird man sagen - befindet sich dagegen im Komparativ *h2éngh-jōs (zu ἄγχι) > *ántsōs > *ánssōs > ῎ᾱσσων (die Länge wird vom Zirkumflex in ἆσσον bezeugt); gleichfalls sei ἐλᾱ´σσων (-ττ-) aus einem Kompromiss zwischen dem vollstufigen *h1léngwh-jōs > †ἐλείσσων und dem schwundstufigen Positiv *h1lngwhús > ἐλαχύς entstanden.[14] Es ist aber in der synchronen Sprache die Regel, dass die Komparative auf -ων einen langen Vokal enthalten: μείζων, ὀλείζων, θᾱ´σσων (-ττ-), μᾶλλον.[15] Man kann ja nicht überall die Ersatzdehnung nach dem Schwund eines Nasals voraussetzen; der lange Vokalismus ist v. a. für das Attische charakteristisch, obwohl dieser Dialekt für *ts in der Regel eben nicht <σσ>, sondern <ττ> aufweist. Wenn die Affrikate sich nicht in einen einfachen Sibilanten entwickelt hätte, hätten wir deshalb auch keinen Schwund des Nasales erwarten dürfen, d. h. *ántsōn > entweder †ἄντων oder *῎ᾱσων. Dass die letzte Form tatsächlich existiert hat, und *kj sich somit im Kontext nach /n/ auf dieselbe Weise wie *tj entwickelte, scheint aus dem in mehreren Dialektinschriften belegten Superlativ ἄσιστα hervorzugehen.[16] ῎ᾱσσων ist dann analog nach θᾱ´σσων usw.

Wenn das feminine Partizip schwundstufig ist, wird der Nasal zu einem Vokal, und die Verbindung *tj steht dann zwischen Vokalen. In diesem Kontext wird es sich erweisen, ob es sich im Falle von *tj um das „isomorphe“ *tj, das sich zu einfachem /s/ entwickelt, oder um das „heteromorphe“ *t-j handelt, das als <σσ> bzw. <ττ> erscheint. Arkadisch ἔασα „seiend“ (< *ehatja < *h1sntih2) spricht zwar dafür, dass wir in der Tat das einfache /s/ haben, aber die Schreibart ist zweideutig (die älteren Inschriften drücken nicht immer die Länge der Konsonanten aus), und att. Φερρέφαττα und ion. μελιτόεσσα -οῦσσα, att. -οῦττα usw. deutet umgekehrt auf „heteromorphes“ t-j hin.[17] In den westgriechischen Dialekten, in denen das intervokalische *tj immer als /ts/ (<σσ>, kret. <ττ>) erscheint, muss das nach den Nasalen stehende /s/ jedoch die Allophonie beweisen, z. B. kret. ἴαττα ~ ἀποδίδονσα.[18]

Nach /r/ sind die Affrikate ebenfalls vereinfacht worden, aber mit einem anderen Ergebnis, das darauf hindeutet: *wértjō wird zu ἔρρω, nicht zu †ἔρσω (wie ἄρσην) im Unterschied zu *-ontjh2 > -ονσα > -ουσα.[19] Im Lakonischen haben wir ebenfalls *krtjōn > κάρρων, aber im Kretischen κάρτων, das auf Analogie nach κάρτερος beruhen soll.[20] Wie im Falle von *ndʒ scheint auch *rdʒ im Vergleich zu den stimmlosen Entsprechungen unterschiedlich behandelt worden zu sein. Das einzige Beispiel ist m. W. *wérĝ-je- > ion. ἔρδω (Aor. εἶρξα). Diese Form setzt kaum ein älteres *wérzdō mit Metathese voraus, in dem /s/ = [s, z] zwischen Konsonanten geschwunden sein soll wie in *aiksmā (myk. a3-ka-sa-ma) > αἰχμή.[21] Im Kretischen haben wir in der archaischen Zeit ersatzgedehntes ϝέρεν, -οντι, später ϝήροντι, -οι, einmal aber βέρδηι; Bile vermutet, dass *wérdzō sich in *wérzō entwickelt habe, und dass der stimmhafte Sibilant später mit Ersatzdehnung geschwunden worden sei, wogegen das vereinzelte βέρδηι von der Koine beeinflusst worden sein soll.[22] Diese Vielfalt kommt unmittelbar widersprüchlich vor, aber ich vermute, dass die Palatale sich in diesen zwei Wörtern länger erhalten hat als in der Stellung nach /n/. Das Mykenische hat für ἔρδω die Formen PY Ea 309 wo-ze-i /wórdʒei/, An 519 wo-zo /wórdʒōn/ usw. Die z-Serie bezeichnet normalerweise Palatale. Wichtiger ist es vielleicht, dass diese Formen angeblich die Schwundstufe zeigen. Ist ἔρδω statt des zu erwartenden †ἔρρω möglicherweise durch die Umformung eines älteren *árd(ʒ)ō (nach dem Aorist) zu erklären, dessen Palatal in der eigentlich intervokalischen Stellung beibehalten wurde (*wrĝ-jé-)?

Schlüsse aus dem Alphabet

Im semitischen Alphabet bezeichnet das siebte Zeichen, „zayin“, den stimmhaften Spiranten /z/. Jeffery behauptet, dass es im Übertragungsprozess des Alphabets seinen Wert mit „šādê“ (= σάν, <Ϡ>) getauscht hat.[23] Dieser Buchstabe hat einen ähnlicheren Namen, und der griechische Buchstabe, der die Form und den Platz von „šādê“ übernommen hat, trägt einen Namen, der an „zayin“ erinnert, und zwar σάν (Hdt. 1.109); auch der phönizische Wert des Buchstabens, den man als [ts] rekonstruiert, soll dem griechischen Phonem /dz/ entsprechen (im Kretischen, wie wir es gesehen haben, = sowohl /ts/ als /dz/). Woodard wendet ein, dass wir damit einen unwahrscheinlichen Zickzackkurs des Phonems /dz/ hätten: [24] I. Gemeingriechisch *dz; II. Gemeingriechische Metathese *dz > *zd; III. Wiederherstellung der Affrikate zur Zeit der Einführung des Alphabets *zd > *dz; und IV. Nochmalige Metathese *dz > *zd (man könnte noch eine Stufe hinzufügen: V. Progressive Assimilation *zd > *z(z) bzw. regressive Assimilation *zd > *dd). Teodorsson (dessen Aufsatz Woodard nicht erwähnt) will dagegen die Stufe IV. entfernen, weil er nur eine einzelne (mehr oder weniger) gemeingriechische Metathese anerkennt, und m. E. muss die Stufe II. auch nicht aufrechterhalten werden. Den anderen Einwand, dass „šādê“ im Phönizischen keine Affrikate bezeichnen soll,[25] kann ich leider nicht bewerten. Aus lautlicher Sicht könnte auch „zayin“ = /z/ zum griechischen Zeichen für /dz/ beitragen, auch wenn [z] nur als Allophon vorkam.

Wenn es überhaupt die gemeingriechische Metathese gegeben hätte, und sie zur Zeit, als das Alphabet eingeführt wurde, immer noch wirksam wäre, wäre es eigentlich erstaunlich, dass man ein eigenes Zeichen für die Verbindung /s/ + /d/ = [zd] eingeführt hätte; /s/ + /b/ = [zb] und /s/ + /g/ = [zg] werden jedoch als <σβ> bzw. <σγ> geschrieben. Es gibt im sog. blauen Zweig des Alphabets (den z. B. die ionische Schrift vertritt) zwei andere kombinierte Zeichen (διπλᾶ σύμφωνα), nämlich <ξ> = /k/ + /s/ und <ψ> = /p/ + /s/; der z. B. von der lakonischen vertretene rote Zweig hat nur <χ> = /k/ + /s/; die attische und die kretische Schrift haben keine Zeichen für diese Kombinationen. Dieselbe Reihenfolge von Verschlusslaut und Sibilanten käme auch in der Affrikate /dz/ vor.

Die Verbindungen /s/ + Verschlusslaut und Verschlusslaut + /s/ verhalten sich aber in der Schrift völlig unterschiedlich: Wenn ein Wort in den alphabetischen Inschriften getrennt wird, gehen Verschlusslaut + /s/ (auch wo die Verbindung mit zwei Zeichen geschrieben wird) wie auch Verschlusslaut + Verschlusslaut zur folgenden Silbe, während die Verbindung /s/ + Verschlusslaut öfter getrennt wird als nicht, wie es auch bei Liquida / Nasal + Verschlusslaut der Fall ist.[26] Die Linear B-Schrift verfügte über keine Zeichen für Verschlusslaut + Sibilanten und musste deshalb zwei Silbenzeichen benutzen, so dass das erste Zeichen der Vokalqualität des zweiten Konsonanten folgte; so werden Verschlusslaut + /s/ und Verschlusslaut + Verschlusslaut ausgedrückt: a-ko-so-ne = /áksones/, während /s/ + Verschlusslaut und Liquida / Nasal + Verschlusslaut ohne den ersten Konsonanten geschrieben werden: pa-i-to = /phaistós/. In der kyprischen Silbenschrift gibt es denselben Unterschied, so dass Verschlusslaut + /s/ und Verschlusslaut + Verschlusslaut mit dem Vokal des zweiten Konsonanten geschrieben werden: to-ka-sa-to-ro = /doksándro:/, e-u-ka-sa-me-no-se = /euksámenos/, während /s/ + Verschlusslaut und Liquida + Verschlusslaut mit dem Vokal der vorausgehenden Silbe ausgedrückt werden: mi-si-to-ne = /misthõ:n/, a-ra-gu-ro = /argúro:/.

Man hat diese unterschiedliche Behandlung der Verbindungen gern auf eine unterschiedliche Silbentrennung zurückführen wollen, aber das entspricht nicht den Zeugnissen der Metrik (eine Silbe gilt bekanntlich vor Verschlusslaut + /s/ oder Verschlusslaut als geschlossen) und der Lautgeschichte (λεπτότερος, πιστότερος, ὡμότερος ≠ νεώτερος; καρφίον, παιδίον ≠ κόριον).[27] Herodian formuliert das Gesetz, dass eine Verbindung, die im Anfang eines Wortes vorkommen kann, auch nicht in der Mitte getrennt wird (II 393-6).[28] Die Diskrepanz der Prosodie gegenüber, wie sie aus der Metrik hervorgeht, ist deutlich: Hephaistion lehrt in seinem metrischen Handbuch, dass eine Silbe metrisch lang ist, wenn sie auf zwei Konsonanten endet (μά-καρς), wenn die folgende Silbe mit zwei Konsonanten (außer Verschlusslaut + Liquida) anfängt (Ἕκ-τωρ), wenn sie auf einen Konsonanten endet, und die folgende Silbe mit einem Konsonanten anfängt (ἄλ-λος), wenn es auf einen doppelten Konsonanten ausgeht (ἕξ), oder wenn die folgende Silbe mit einem doppelten Konsonanten anfängt (ἕ-ξω).

Gewissermaßen hängt diese unterschiedliche Behandlung damit zusammen, dass die Laute, die orthographisch zur vorausgehenden Silbe gehören (und im Mykenischen ausgelassen werden), dieselben sind, die im Auslaut stehen können: Beim Buchstabieren hat man ebenfalls Silben bevorzugt, die auf einen Vokal oder auf diese Konsonanten ausgingen: „τεκνον: <τ> + <ε> = [te], <κ> + <ν> + <ο> + <ν> = [knon], d. h. [téknon]“ und „επραξα: <ε> = [e], <π> + <ρ> + <α> = [pra], <ξ> + <α> = [ksa], d. h. [épra:ksa]“, aber „μισθοσ: <μ> + <ι> + <σ> = [mis], <θ> + <ο> + <σ> = [thos], d. h. [misthós]“.[29]

Woodard beruft sich auf die sog. Sonorität, „Schallfülle“, was im Prinzip nicht mit der obigen Betrachtung unvereinbar ist:[30] Der Begriff, der von Otto Jespersen geprägt worden ist[31], bezeichnet die unterschiedliche Stärke der einzelnen Laute, von den Vokalen über die Nasale und Liquiden und die Spiranten bis zu den stimmlosen Verschlusslauten. Der Kern (Nukleus) einer Silbe ist sozusagen der sonorische Gipfel, der im Griechischen immer ein Vokal ist; der Ansatz besteht aus den sonorisch steigenden (oder wenigstens nicht fallenden) vorausgehenden Segmenten und die Koda aus den fallenden (oder wenigstens nicht steigenden) nachfolgenden Segmenten. In der Linear B-Schrift werden die steigenden Segmente mit dem Vokal der folgenden Silbe geschrieben, während die fallenden Segmente ausgelassen werden. Wenn ein Wort im Alphabet getrennt wird, gehen die steigenden Segmente zur nachfolgenden Silbe.

Wenn Griechisch die Verbindung /s/ + /d/ gekannt hätte, hätte man sie folglich kaum mit einem eigenen Zeichen geschrieben, sondern dafür eine getrennte Schreibweise erfunden: <σ> + <δ>, wie man sie tatsächlich in der Kompositionsfuge schreibt (τῆσδε, εἰσδέχται). Der „doppelte“ Buchstabe <ζ> hätte wahrscheinlich eine steigende Sonorität, d. h. /dz/ (oder wenigstens keine fallende, d.h. /zz/, /ðð/).[32]

Aristoteles (Poet. 1456b) teilt die Laute gemäß ihrer Sonorität in drei Gruppen ein: φωνῆεν (z. B. <α>, <ω>), ἡμίφωνα (z. B. <σ>, <ρ>) und ἄφωνον (z. B. <γ>, <δ>). Es ist charakteristisch, dass die sogenannten ἡμίφωνα auch dieselben Konsonanten sind, die am Silben- und Wortschluss stehen können, worauf man schon im Altertum aufmerksam war (An. Gr. 806.11 = I 256).[33] Dionysios Thrax (Gramm. 6) und Dionysios aus Halikarnassos (De comp. verb. 14.14) rechnen auch die διπλᾶ <ζ>, <ξ>, <ψ> zu den ἡμίφωνα (obwohl sie den ersten Buchstaben <σ> + <δ> auflösen). Sie können zwar nicht am inlautenden Silbenschluss stehen (Griechisch hat keine †<ξθ>, †<ξν>, †<ψθ>; daraus ist <χθ>, <χν>, <φθ> geworden), aber schon im absoluten Auslaut.

/dz/ in der Reduplikation

Einen anderen Beleg für die Aussprache [zd] will man in der Reduplikation von den <ζ>-anlautenden Wurzeln finden. Das Perfekt wird nicht mit ζεº gebildet (wie <σε> vor den <σ>-anlautenden Wurzeln), sondern konsequent mit ἐº: ἐζευγμέναι (Il. 18.276, das einzige archaische Beispiel, das ich gefunden habe!), ἔζηκα, ἔζωμαι usw. wie vor /s/ + Verschlusslaut, z. B. ἔσταλται, ἔσπαρμαι, ἔσχηκα (vor den klassischen Autoren äußerst selten[34]). Man hat diese vokalische Reduplikation auf den allgemeinen Schwund des *s zurückführen wollen: *sestltói > *hestaltai > ἔσταλται; Sihler erklärt ἔζευγμέναι auf dieselbe Weise, d. h. *jejoug- > *dʒedʒoug- > *sdesdoug- > *sesdoug- > *hesdoug- > ἐζευγ-.[35] Die Metathese sei demgemäß älter als die Lautentwicklung *s > *h, die ihrerseits schon vor der Linear B vollzogen war! Die Verben, die mit idg. *dj anfingen, seien dagegen anders behandelt worden: δίζημαι habe das /d/ in der Reduplikationssilbe beibehalten, < *di-dih2-. García Ramón hat aber überzeugend dafür argumentiert, dass sowohl das episch-ionische δίζημαι als die gemeinsprachliche Entsprechung ζητέω auf ein idg. *jeh2-bitten, suchenyā-, sogar mit reduplizierendem Präsens īye, īte < *ji-jh2-h2éi, -tói.[36] Der Unterschied zwischen δίζημαι und ἐζευγμέναι besteht deshalb nicht im Anlaut, sondern darin, dass jenes eine Präsensreduplikation hat, dieses dagegen eine Perfektreduplikation. Denselben Unterschied gibt es zwischen γιγνώσκω und ἔγνωκα, ἔγνωσται.

Dass die Präsensreduplikation vor einer <ζ>-anlautenden Wurzel als διº erscheint, entspricht eigentlich unserer Erwartung. Das gemeingriechische /dz/ wurde vielleicht als /d/ + /z/ analysiert, so dass die Reduplikation ausschließlich dem ersten Segment vorgreift; diese zweifelhafte Analyse (vgl. unten) ist aber nicht nötig, und wir müssen auch keine Dissimilation /dz...dz/ > /d...dz/ annehmen.[37] Die Verbindung /dzi-/ hätte es sowieso kaum geben können: Das Griechische kannte kein anlautendes <ζι> (außer in Lehnwörtern wie ζιγγίβερι, ζίφυιος oder im Eleischen für gemeingriechisch <δι>[38]). Dass die Verben, die mit <σ> anfangen, σεº in der Reduplikation haben, während diejenigen, die mit <ζ> anfangen, ein bloßes ἐº voranstellen, heißt nicht (unbedingt), dass anlautendes <ζ> als [zd] ausgesprochen wurde und damit für die volle Reduplikation sperrte; die meisten Bespiele sind sowieso aus einer Zeit, in der <ζ> tatsächlich nur die stimmhafte Entsprechung von <σ> war.

Vor einigen mit <σ> anfangenden Wurzeln haben wir allerdings die ἐº-Reduplikation: so ep. Aor. σεῦε, ἔσσευε, ἔσσυτο ~ ep. Perf. ἔσσυμαι, -ται (Il. 13.79 usw.) und ion. σῶσι (Hdt. 1.200), att. δια-ττῶ ~ ion. ἐσσημένος (Inschrift aus Delos), att. ἐττημένος (Pherekrates Fr. 211)[39]; die σεº-Reduplikation bleibt in der archaischen Literatur immer noch selten (Il. 2.135 σέσηπε, Hes. Op. 649 σεσοφισμένος, Sc. 268 σεσαρυῖα, Sem. Fr. 21(b) σεσαγμένοις, Ibyk. S151.23 σεσοφισμέναι). Die unterschiedliche Behandlung lässt sich auf zwei Weisen erklären: Entweder war die ἐº-Reduplikation die ursprüngliche und σεº eine sekundäre Bildung, oder auch hatten die zwei Typen einen verschiedenen Anlaut: *tj, *tw > /s/ ≠ *kj > /ts/ (z. B. *kjeh2-wétes > myk. za-we-te > ion. σῆτες ~ att. τῆτες). Die Wurzeln in ἔσσυτο und ἐσσημένος fingen damit mit der stimmlosen Entsprechung von /dz/ an: [étsutai] ~ [edzeuŋménai].[40] Die ἐº-Reduplikation in den mit <ζ> = /dz/ (und eventuell <σ> = /ts/) anfangenden Wurzeln ist überdies nicht nur mit der vor <στ> usw. parallel (wo das prominenteste Beispiel ἑº hat: ἕστηκα), sondern auch mit der vor <ξ> = /ks/, <ψ> = /ps/, die dieselben Reihenfolge der Segmente aufweisen.[41]

Alles spricht folglich dafür, dass das aus den verschmolzenen *dj, *gj, *j, *sd entstandene Phonem ursprünglich eine Affrikate war, und dass es so im Ionisch-Attischen blieb, bis es irgendwann zu einem Spiranten vereinfacht wurde.



[1] Die Wörter mit <σβ> und <σγ> sind φάσγανον, πρεσβύς (wgr. πρέσγυς), σβέννυμι, ep.-ion. μίσγω (<*mig-ske-), poet. ἀφυσγετόν, φλοῖσβος, selten ἄσβολος (dazu die Zusammensetzungen ἐπεσβόλον, φερέσβιος und die zahlrei­chen Bildungen mit den Präverbien εἰσ-, προσ-; mehrere Ortsnamen: Πελασγός, Θίσβη, Ἀρίσβη, Ὀρέσβιος, Λέσβος, Ἄσβολος).

[2] Der Schreiber hat zuerst <τοιστ> geschrieben, hat es aber nachträglich in <τοισζ> geändert, vgl. Teodorsson 1974: 140. Threatte 1980-96: I 546 hat deshalb kaum Recht, wenn er behauptet, „σζ = [zzd], the voiced equivalent of the frequent -σστ-“.

[3] Man unterscheidet aber auch ἐκσώιζω und ἐξωθῶ; die Motivation könnte hier zwar wie in ἔσδεξαι ~ ἔζευξαν völlig etymologisch sein. Doch hat die attische epichorische Schrift, die kein <ξ> verwendet, <χσ> in den beiden Fällen: z. B. ἐχ Σαμίον, und nachdem die milesische Schrift eingeführt worden war, schrieb man in der Regel <ξ> auch für ἐκ + σ-: z. B. ἐΞάμο, ἐΞουνιέων, vgl. Threatte 1980-96: I 20-1, 586 (seltener <κσ> oder <ξσ> der Deutlichkeit wegen). Ruijgh 1995: 32 A. 104, 35 A. 118 nimmt deshalb ohne Grund an, dass <κσ> und <σδ> besondere, nicht assimilierte Aussprachen widerspiegeln: [ks] (≠ <ξ> = [khs]) bzw. [sd] (≠ <ζ> = [zd]). †ἔζεξαι kommt dagegen nie vor.

[4] Vielleicht hat es für die Erstarrung des Sandhi in θύραζε, Ἀθήναζε usw. eine Rolle gespielt, dass *n ohne Ersatzdehnung geschwunden war: /athá:nanzde/ > /athé:naz(:)e/ ~ /athé:nans/ > /athé:na:s/.

[5] Schwyzer 1939: 625 + A. 2, Chantraine 1968-80: 363, 1245.

[6] Jeffery 1961: 38-9, 324, 368, Allen, 1987: 60-1, Brixhe 1976: 7-9, 79-80. Auf einer Vase des sog. Nettos-Maler (ABV Nr. 1) ist der Name des Helden angeblich erst Νέtος geschrieben und nachträglich in Νέτος korrigiert worden, vgl. aber Threatte 1980-96: I 24.

[7] Bile 1988: 142-7. Woodard 1997: 164-7 wendet u. a. ein, dass die progressive Assimilation, die der Vorgang /dz/ > /dd/ voraussetzen würde, im Kretischen außergewöhnlich wäre (er weist auf Thumb/Kieckers 1932: 160 hin); auch in den anderen Dialekten herrscht aber die regressive Assimilation (wenn weniger ausgeprägt), aber hier würde /zd/ > /z(z)/ gerade einer progressiven Assimilation entspringen.

[8] Teodorsson 1993: 305-321.

[9] Die Handschriften stellen oft /ns/ in den Zusammensetzungen mit ἐνº, πανº, συνº, episch ἀνº wieder her (in der Homerausgabe schreibt West πασσυδίηι, ἔσπετε aber „claritatis causa“ ἀνστ- und ἀνσχ-, vgl. West 1998: xxvi). Die epische Tradition hat auch <νσ> im Infinitiv: Il. 23.337 κένσαι. Die Abstrakta auf -σις haben die Schwundstufe, wenn sie von einsilbigen Verbalwurzeln hergeleitet sind (βαίνω → βᾰ´-σις, τείνω → τᾰ´-σις, φαίνω → φᾰ´-σις, πλῡ´νω → πλῠ´-σις), aber in der aristotelischen Tradition werden die Abstrakta auf -αν-σις, -υν-σις (von den Verben auf -αίνω, -ῡ´νω) sehr beliebt: z. B. ὑγίανσις, μέλανσις, vgl. Schwyzer 1939: 505 A. 8 (ein paar Beispiele schon bei Platon und Sophokles Tr. 662).

[10] Brixhe, 1975: 60, Bile 1988: 143.

[11] Bile/Brixhe/Hodot 1984: 166. Thessalisch hat ein paar Male <ρδ>: IG 9(2).234.98 Θεορδότειος (sonst <ζ>), vgl. García Ramón 1975: 88-9. In einer thessalischen Inschrift aus dem späten 3. Jh. ist <ζδ> zweimal belegt: δικαζδέτου, πεζδοῦ, vgl. Blümel 1982: 120; in diesem Teil Thessaliens, Hiastiaiotis, hat es vielleicht Metathese gegeben, aber die Schreibart steht ganz allein.

[12] Teodorsson 1993: 314.

[13] In Gortys IC IV 72 Kol. IX.50 ἒνδ δικαδδέτο „εἷς δικαζέτω“ haben wir kaum /ns.d/ > /n.dz/ > /n.d/ (was die Metathese und Rückwandlung, wenn nicht unterstützt, jedoch ermöglicht hätte), sondern einen synchronen Fall von Sandhi (wie lak. τοι<λ>λακεδαιμονίοις /z.l/ > /l.l/); die Doppelschreibung haben wir ja auch nur in diesem Form, nicht aber in Gortys IC IV 146.9 σαλπίνδω.

[14] Schwyzer 1939: 319, Sihler 1995: 363.

[15] Sihler 1995: 363 führt ein paar Komparative mit kurzem Vokal vor -σσων an: μᾰ´σσων, βᾰ´σσων, πᾰ´σσων (wohl nach Herodian Pros. I 524, der auch γλῠ´σσων hat). Die Beispiele des kurzen Vokalismus sind aber alle außerattisch (βάσσον bei Epicharm 188, γλύσσονα bei Xenophanes 39.2 Gentili/Prato); μάσσων kommt zwar im Attischen vor, aber dort mit einem langen Vokal, vgl. μᾶσσον. Peters 1980a: 287, meint jedoch, dass ark. ἐάσα „für gesprochenes ἐάσσα stehen“ kann; über die diesbezüglichen Schreibarten des Arkadischen, s. Wathelet 1970: 111 A. 67, Dubois 1988: 73-7.

[16] Peters 1980a: 288 (vgl. auch Thévenot 1988: 152 A. 262).

[17] Schwyzer 1939: 320, 526-8; Lejeune 1972: 103 + A. 5. Risch 1979b: 271 „Dans les féminins des participes du type *agontja et *ehatja (< esntjə2), la coupe morphologique principale est devant *-ontja, *-atja, qui sont considérés comme un seul morphème. Par conséquent, *tj y est assibilé.

[18] Brixhe 1975: 62, schließt aus dem Material, dass *tj sich im Kretischen zwischen Vokalen zu <ττ> und sonst zu <σ> entwickelt. Wenn wir dem kretischen κάρτων < *krt-jōn (andere Stufe in att. κρείττων) Glauben schenken müssen (vgl. dazu im Kurzen), war die Vereinfachung zu <σ> aber auf die Stellung nach /n/ beschränkt (lakonisch κάρρων setzt dagegen *kársōn mit vereinfachtem Sibilanten voraus).

[19] Forssman 1980 nimmt deswegen folgende Entwicklungsstufen an 1. wertjō, 2. wertšō, 3. werśō, 4. werrō gegenüber πᾶσα: 1. pantja, 2. pantša, 3. panta, 4. pansa.

[20] Lejeune 1972: 111, Bile 1988: 181.

[21] Lejeune 1972: 137, Sihler 1995: 218-9. - Diese Regel gilt aber nur zwischen Verschlusslaut und Sonanten, d. h. CsR, nicht wo der Sonant vor dem Sibilanten steht, RsC und RsR; in diesen Kontexten fällt ein nasal weg, vgl. *kóns-mos (vgl. lat. cēnseō) > κόσμος, *ksún-statis > σύστασις usw. σύνδυγο[ς (= σύζυξ), das in einem Lemma in einem Papyruskommentar zu Sappho steht (= 213 V), ist merkwürdig; s. Hamm 1957: 23.

[22] Bile 1988: 137-8; derselbe Vorgang wie in den lakonischen Namen Θηριμένης, Σηρανδρίδας (= Θερσι-) und in Hesych Πηρεφόνεια· Περσεφόνεια. Λάκωνες, vgl. auch Arena 1982: 14.

[23] Jeffery 1961: 25-8, 33.

[24] Woodard 1997: 163-4.

[25] Woodard 1997: 168-172.

[26] Hermann 1923: 132-181, Threatte 1980-96: I 64-73; komischerweise weichen die lakonischen und delphischen Inschriften von dieser Tendenz ab, indem die Verbindung /s/ + Verschlusslaut in Hermanns Statistik 30 bzw. 90mal zusammengehalten und nur 9 bzw. 20mal getrennt wird. Hermann setzt (1923: 177-8) den lakonischen Zustand mit der epichorischen Assimilation dieser Verbindungen zusammen: „Dann stammt στ in Lakonien vor allem aus der Schule, und dasselbe muß auch der Fall sein mit der Gewohnheit |στ zu schreiben“.

[27] Vgl. die Kritik bei Woodard 1997: 19-31.

[28] Hermann 1923: 123-31, Woodard 1997: 32-41.

[29] Dass man mit offenen Silben buchstabierte, geht nicht nur aus der Silbentrennung hervor, sondern auch aus direkten Zeugnissen; Athenaios (10, 453d) berichtet von einem Tragödienchor, der das Buchstabieren gesungen hat: βῆτα ἄλφα βα, βῆτα εἶ βε, βῆτα ἦτα βη, βῆτα ἰῶτα βι, βῆτα οὖ βο, βῆτα ὖ βυ, βῆτα ὦ βω.

[30] Woodard 1997: 58-100; er spricht von einer „hierarchy of orthographic strength“.

[31] Jespersen 1913: 190-5.

[32] Diesen Schluss zieht Woodard aber nicht; er wiederholt und unterstützt die Lehre der Handbücher, dass <ζ> als [zd] ausgesprochen würde. Er behauptet dementsprechend, dass die Gründer des Alphabets das Vorbild für den Buchstaben <ζ> = /sd/ in den kyprischen Silbenzeichen <za>, <zo> gefunden haben, die seiner Meinung nach auch mit [zd] ausgesprochen wurden (1997: 172-5).

[33] Steinthal 1890-01: I 254-6, II 192-3.

[34] ἐ- vor einer s-Verbindung habe ich tatsächlich nur in Il. 21.168 ἐνεστήρικτο, Od. 2.271 ἐνέστακται; die einzige häufige, sicher ältere Bildung ἕστηκα wird stets mit einem anlautenden /h/ überliefert (< *se-steh2-); Aspiriert ist die Reduplikation auch in εἵμαρται < *se-smr-(t)ói (Il. 1.278, 15.189, Od. 5.335, 11.338 ἔμμορε hat dagegen äolische Psilosis, vgl. Chantraine 1958: I 422).

[35] Sihler 1995: 490; als das Perfekt im Griechischen (außer eines vereinzelten späten Beispieles) nur im Medium belegt worden ist: ἔζευκτο, ἐζευγμένος, ist der indogermanische Ausgangspunkt (wenn es einen solchen für diese Form gab) vielmehr ein schwundstufiges *jejug-tó(i).

[36] García Ramón 1993. Er erklärt (S. 79-81) den langen Vokal in gr. ζη- („no puede ser fonético“) als eine Verallgemeinerung der Vollstufe in *jeh2-tó- (aind. yātá wie dātá, aber gr. ºδοτος); dementsprechend Vine 2000. Das muss aber nicht sein: Im Gr. haben wir vielleicht eher das lautgesetzliche Ergebnis des schwundstufigen *ih2 („Brechung“), vgl. *gwih3wó- > ζωός (s. Klein 1988); dasselbe gilt für toch. B yāsk- < *ih2-ské- (vgl. *gwih3wó- > *gwjāwos > toch. śau-); dieses Gesetz ist jedoch umstritten, und es fehlen uns weitere Belege, ehe wir das Lautgesetz ohne weiteres auf *ih2 ausdehnen dürfen.

[37] *si-sdo-h2 > ἵζω ist einen anderen Weg gegangen (nicht †δίζω), weil die Reduplikation älter ist als die Metathese *sd > /dz/; ἵζω findet eine formale Entsprechung in *ti-tke- > τίκτω (vgl. *dhghom- > χθών, *tkei- > κτίζω). Wir können ebensowenig von ἵζω auf ein klassisches /zd/ schließen wie von τίκτω auf ein klassisches /tk/!

[38] Regelmäßig aber im Inlaut in den Ableitungen von Stämmen auf <ζ> (schon Il. 5.19 μεταμάζιον).

[39] In der Prosa immer mit dem Präverb: διεττημένος in einer Inschrift; handschriftlich dagegen διεττημένος (damit wurde das isolierte ἐ-ττ-Reduplikation unter die häufigen durch die Dehnung des anlautenden Vokals reduplizierenden Verben integriert).

[40] ἔσσευα und ἔσσυται sind der Aorist bzw. Perfekt von κῑνέω (idg. *kinéumi, *kjéum, *kjutó), vgl. Strunk 1967: 86-103 [dagegen Harðarson 1992: 190-3, LIV 309, 353-4, *k(w)jeu- ~ *keih2-]. Leider hat man für δια-ττῶ noch keine überzeugende Etymologie aufgestellt; vgl. Schwyzer 1939: 320, Chantraine 1968-80: 278, LIV 594 (hinfällig ist die Verbindung mit aind. titaü und damit der Grund, ausgerechnet *tw- anzusetzen; ich habe eine Zeit lang eine Herleitung von *skih2-scheiden“ [aind. chyati, gr. σχάω] erwägt, aber diese Wurzel ist vielmehr *sk´h2ej- zu rekonstruieren; vielleicht *dheiH-ins Auge fassen“?). Die schon in archaischer Zeit mit σεº reduplizierenden Verben sind auch alle ohne Etymologie.

[41] Ursprünglich die Wurzeln mit *st-, *sk- usw. vielleicht alle die Reduplikation mit *seº > *heº gebildet, während die „doppelten“ Laute (wie sie die Alten nannten) ein bloßes */e-/ hatten, weil man weder den ganzen Doppellaut wiederholen wollte (†dze-dz-) noch das erste Segment wiederholen dürfte (†/de-dz-/). Man ist in der Wahl des Augments etwa derselben sonorischen Hierarchie gefolgt wie in den Stützvokalen der Linear B und in der Wortteilung der alphabetischen Inschriften (μέμνημαι, ἕστηκα wie μ|ν, σ|τ ~ ἔκτητο, ἔγνωκα, ἔζευγμαι wie |κτ, |γν, |ζ). Später hat man dagegen die geschlossenen Silben (ἔσχηκα) von den offenen Silben (κέκλεικα) getrennt.